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Ansprechbar: "Dürfen Frauen predigen?" - (M)eine Meinung

BlogPost · Soziales Leben

Die Frage, um die es in diesem Beitrag geht, wird in der heutigen Christenheit heiß diskutiert. Vielleicht hast du sie auch schon mal gehört oder du warst selbst bei Diskussionen zu folgender Fragestellung beteiligt: „Dürfen Frauen predigen?“

Was für Menschen, die in der heutigen westlichen Kultur aufwachsen, selbstverständlich erscheint – nämlich, dass Frauen sogar Bundeskanzlerin oder Präsidentin werden dürfen und da ganz schön krasse und entscheidende Reden halten –, ist im Kontext einer christlichen Gemeinde nicht überall selbstverständlich! Und das aus ganz einfachem Grund: Es gibt einschlägige Bibelstellen, die, wenn man sie wortwörtlich nimmt, einer Frau verbieten wollen, im Rahmen eines Gottesdienstes die Predigt zu halten.

Vorab sei gesagt: In diesem Beitrag teile ich meine persönliche Meinung mit dir, die ich mir nach Jahren des eigenen Fragens, ob ich als Frau predigen dürfe, gebildet habe. In meinem Theologie-Studium wurde ich häufig mit den verschiedensten Argumenten für und wider das Predigen von Frauen in der Gemeinde konfrontiert. Lange Zeit war ich schwer davon überzeugt, dass ich aufgrund meines Geschlechts nicht das Recht zum Predigen hätte, jedoch habe ich anschließend an sämtliche Recherche und Diskussionen selbst einige Male in Gottesdiensten gepredigt, weil die Pastoren in dieser Gemeinde mich darum gebeten haben und ich für mich zu dem Entschluss kam, dass mein Predigen als Frau doch in Ordnung sei.

Dennoch erhebe ich nicht den Anspruch, bei diesem Thema „die Weisheit mit Löffeln gefressen“ zu haben. Ich akzeptiere und respektiere gegensätzliche Meinungen bei dieser Fragestellung absolut! Und ich glaube, dass es gesund ist, offenzubleiben, sich von einer gegensätzlichen Meinung sogar überzeugen zu lassen. Ich lade dich nun einfach dazu ein, dich von diesen Gedanken und Impulsen inspirieren zu lassen, wenn du dich selbst auf die Suche nach deiner Antwort machst. :-)

1. Das Schweigegebot für Frauen aus 1. Korinther 14:33-35

Die erste einschlägige Stelle zum Predigtverbot von Frauen finden wir im ersten Brief an die Korinther: Paulus möchte, dass Frauen in öffentlichen Versammlungen der Gemeinde, an denen damals auch Nichtchristen teilnehmen durften, nicht das Wort ergreifen, sondern schweigen.

Ich bin großer Fan der theologischen Vorgehensweise, dass zur Auslegung einer Bibelstelle immer der Kontext beachtet werden sollte! Denn: Die einzelnen Texte und Briefe der Bibel wurden intentional von einem bestimmten Verfasser für eine bestimmte Empfängergruppe in einer bestimmten Zeit und für eine bestimmte Situation geschrieben. Wo kämen wir hin, wenn wir die Bibel einfach Wort für Wort auf unsere heutige Lage übertragen würden, ohne zu bedenken, dass Gott diese Worte schon aus gutem Grund zu einer bestimmten Zeit in diese Welt setzte?

Wie sieht also der Kontext zu der besagten Bibelstelle aus 1. Korinther 14:33-35 aus?

Dass Frauen in der Öffentlichkeit schweigen sollten, war in der Antike eine weitverbreitete und allgemein anerkannte Regel. Außerdem war es Frauen verboten, sich bei sogenannten Lehrgesprächen zu beteiligen, die aus einer Art „Q & A“ mit einem Lehrenden bestanden und damals gang und gäbe waren. Wenn Paulus also die Christinnen in Korinth dazu auffordert, im Rahmen eines Gottesdienstes keine Fragen zu stellen und anderweitig nicht das Wort zu ergreifen, dann gibt es Grund zur Annahme, dass er folgendes meinte: Sie sollten sich so benehmen, dass sie den Benimmregeln ihrer damaligen Kultur entsprechend handelten.

Nur ein paar Kapitel zuvor (und zwar in 1. Korinther 11:5) erlaubt Paulus den Frauen, bei privaten Zusammenkünften der Gemeinde (wie bei einem Hauskreis oder einem Gottesdienst für nur Gemeindemitglieder) zu reden, ja sogar Prophetien auszusprechen. Zeigt das nicht, dass Paulus durchaus davon überzeugt war, dass Gott auch durch Frauen wirken und sprechen könne?

Heute leben wir in unserer westlichen Welt des 21. Jahrhunderts in einer anderen Kultur als die der Antike, die Frauen das öffentliche Reden in allen Formen erlaubt. Ja, es gilt in unserer heutigen Gesellschaft sogar als unhöflich und ungerecht, wenn Frauen das Wort im öffentlichen Raum (wie auch einem öffentlichen Gottesdienst) aufgrund ihres Geschlechts einfach verboten wird!

Das Fazit, welches (nicht nur) ich aus dieser Kontextualisierung des Textes ziehe, ist, dass christliche Männer und Frauen sich ihrer Kultur entsprechend verhalten sollten. Und die Gesellschaft, in der ich mich zurzeit befinde, erlaubt es mir als Frau durchaus, im öffentlichen Raum zu sprechen. Also nehme ich daraufhin an, dass eine Frau ebenso wie ein Mann bei jeder Art des Gottesdienstes predigen darf, und ich sehe darin aus biblischen Gründen unter Berücksichtigung des Kontextes keine Problematik.

Als wichtige Ergänzung: Die „Frauenfrage“ ist keine heilsentscheidende Frage wie etwa diejenige, dass Jesus Christus Gott ist oder nicht. Die Göttlichkeit Jesu ist essenziell und Basis des christlichen Glaubens! (Vgl. z. B. Johannes 3:16) Bei solch unumstößlichen Inhalten der Bibel und damit des Christentums ist keine Kontextualisierung gefragt. Bei der Frage danach, ob eine Frau nun predigen darf oder nicht, bewegen wir uns jedoch in einem Bereich, der als nicht heilsentscheidend angesehen werden kann. Ob ich nun als Frau predige oder nicht und, welche Meinung ich dabei vertrete, ist laut der Bibel nicht entscheidend dabei, ob ich eines Tages in den Himmel komme oder nicht! Also darf hierbei durchaus eine Kontextualisierung gewagt werden.

2. Das Lehrverbot für Frauen aus 1. Timotheus 2:11-14

Paulus schreibt nun in einem anderen seiner Briefe – und zwar in 1. Timotheus 2:11-14 – davon, dass die Frau im Rahmen eines Gottesdienstes bzw. einer Gemeindeversammlung explizit nicht lehren dürfe. Denn damit würde sie sich über die anwesenden Männer erheben, eine Frau habe sich jedoch dem Mann unterzuordnen.

Behalten wir die Infos zum Kontext im Hinterkopf, die bereits in den Absätzen zuvor angeklungen sind. Denn auch diese zweite einschlägige Stelle entstand in der Zeit der Antike. Die Unterordnung der Frau dem Mann gegenüber wurde nicht als besonders oder fragwürdig angesehen. Heutzutage ist dies in unserer westlichen Kultur nicht mehr der Fall. Der Argumentation der vorherigen Absätze folgend bedeutet dies, dass auch die Unterordnung der Frau dem Mann gegenüber in Form von einem Lehrverbot in der Gemeinde nicht mehr besteht.

Darüber hinaus adressiert Paulus in den direkten Versen davor (Verse 9 und 10) explizit finanziell wohlhabende Christinnen in der von ihm adressierten Gemeinde. Logisch lässt sich daraus erschließen, dass sich auch die besagten Verse 11 bis 14 an eben jene reichen Frauen in dieser individuellen Gemeinde richten, die aufgrund ihres wirtschaftlichen Standes meinten, bei öffentlichen Gemeindeveranstaltungen Fragen zu stellen und damit vor allem die Lehre und die Leitung der Gemeinde zu übernehmen. Paulus macht an dieser Stelle deutlich: Nicht der wirtschaftliche Status, sondern die gottgegebene Begabung bestimmt über die jeweilige Aufgabe in der Gemeinde!

In dieser Bibelstelle finden wir dann ebenso das Argument der sogenannten „Schöpfungsordnung“ vor. Paulus sagt darin, dass Gott den Mann (Adam) vor der Frau (Eva) im Garten Eden geschaffen habe und deshalb der Mann über der Frau stehe, und daher solle die Frau den Mann nicht belehren. Paulus argumentiert hier jetzt also theologisch und mit innerbiblischen Fakten. Und ja, an diesem Punkt funktioniert der Ansatz mit der Kontextualisierung nicht mehr. Denn die Einordnung in den damaligen Kontext kann die Schöpfungsordnung nicht „wegdiskutieren“. Hier nun also scheiden sich die Geister. Nehmen wir Paulus beim Wort und sagen, dass dieses eine Argument der „Schöpfungsordung“ alle anderen, die bereits in diesem Artikel für das Predigen von Frauen ausgesprochen wurden, aussticht? Oder dürfen wir dieses Argument in den kulturellen Kontext einordnen und interpretieren? Das ist dir und mir selbst überlassen. Sicherlich braucht es dafür auch mehr, als einen Ansprechbar-Beitrag.

Abschließend sei nicht zu vergessen, dass Frauen die ersten Personen waren, die der auferstandene Jesus höchstpersönlich an seinem Grab damit beauftragte, das Evangelium an Männer zu verkünden. Und das erinnert schon verdächtig stark an ein Predigen, wie ich finde (vgl. Lukas 24:1-12). Auch andere Stellen und Geschichten der Bibel zeigen auf, dass Frauen durchaus von Gott befähigt wurden, für ihn zu wirken. Mit Wort und Tat. Man denke nur an Debora und Esther. Und auch an die Tatsache, dass unter der Jüngerschaft Jesu nicht nur Männer, sondern auch Frauen waren, die aktiv von Jesus Christus als ihrem Herrn und Meister lernen durften und denen ebenso der Missionsauftrag aus Matthäus 28:18-20 gilt! Und das bis heute.


Jeden Mittwoch beantworten wir auf unserer Instagram-Seite @stayonfire.official im Format „Ansprechbar“ eure Fragen. Nicht jede Frage lässt sich im Rahmen einer kurzen Insta-Story beantworten. Daher gehen wir auf einige komplexere Fragen nun sonntags als Blogbeitrag in unserer App ein.

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Annemieke
Binggeli

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