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HOT TOPIC: Ist Masturbation eine Sünde?

BlogPost · Liebe

„Wenn du dich selbst berührst. [unangenehme Pause] Du berührst dich doch selbst? [unangenehme Pause] Wenn du allein bist, darfst du dich selbst berühren. Überall an deinem Körper. Überall dort, wo es sich gut anfühlt ...“

(Simon zu Daphne – aus Episode 3 von „Bridgerton“)

In dieser neuen Netflix-Serie, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts spielt, stoßen wir auf eine Gretchenfrage, die den meisten Christen unter uns äußerst unangenehm, ja, sogar schon peinlich ist. Dürfen wir uns selbst befriedigen? Ist Masturbation eine Sünde? Ja oder nein? Diese Frage regt uns auf. Diese Frage spaltet uns Christen oft in liberal und konservativ. Die liberale Seite der Christen schreit laut: „Mach, was du willst und was dir guttut, solange du dabei niemanden verletzt.“ Die konservative Seite der Christen hebt den Finger und warnt: „Das tut dir nicht gut. Das ist Sünde.“

Als sich mein Körper vor über 25 Jahren zu dem Körper einer jungen Frau entwickelte, passierte es ganz natürlich. Meine Sexualität erwachte. Ich fing an, mich zu spüren. Ich ertastete meinen Körper. Ich lernte mich kennen. Das wurde mir nicht beigebracht, es passierte einfach.

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass meine Eltern mich aktiv aufgeklärt haben. Hier und da habe ich mal heimlich in einer Bravo-Zeitschrift geblättert, die in den 90ern kein Vergleich zu dem war, was sich Teenager heutzutage 24/7 ansehen können. Pornos wie die von heute gab es damals noch nicht. Mein Kopf war also frei von obszönen Nackt- oder Sexszenen.

Doch plötzlich hatte ich Brüste und bekam meine Periode. Und anstatt dass mich nun jemand an die Hand nahm und mir gut und hilfreich erklärte, was in meinem Körper passierte, bekam ich ausreichend amerikanische, christliche Ratgeber für Teenies empfohlen. Die überwiegend klare Linie, die ich dieser Literatur entnahm, war, dass jegliche Form von Sex erst dann für mich relevant wird, wenn ich am Hochzeitsaltar stehe und „Ja“ sage. Von null auf hundert an nur einem Tag. Egal, ob und wann auch immer der eintreffen würde. Sexualität gehört ausschließlich in die Ehe und ist nur für die Ehe gemacht. Und ich sollte lernen, alles, was sich davor in meinem Körper regen könnte, möglichst abbremsen und kontrollieren zu können.

Wirklich? Steht das wirklich so in der Bibel? Ist das der einzige gute Weg in eine gesunde, aufblühende Sexualität, die für mich ein wichtiger und auch natürlicher Teil von uns Menschen ist? Oder gibt es vielleicht noch einen anderen gesunden Umgang damit?

Kann Selbstbefriedigung ein zulässiger Bestandteil von gesunder Sexualität für Christen sein? Ich glaube, ja, sie kann!

Doch bevor ich meine ganz persönliche Antwort als Frau auf diese Frage gebe, musst du mein Gottesbild dahinter kennen.

Ich glaube, dass Gott uns Menschen bedingungslos liebt. Er ist unser Schöpfer. Er hat uns entworfen und geschaffen. Und er möchte, dass es uns gut geht. Er kennt uns besser als wir selbst. Genau aus diesen Gründen weiß er, wie wir am besten funktionieren. Alles, was uns Schaden zufügen könnte, stellt Gott in einen gesunden Kontext. Es geht ihm weniger um richtig oder falsch, sondern vielmehr darum, dass wir lernen, was für uns gut bzw. nicht gut ist (siehe 1. Mose 1:31 sowie 2:18). Gott wünscht sich, dass wir seine Töchter und Söhne sind, die seine Stimme kennen und lernen, auf sie zu hören. Er möchte, dass wir mit allem, was er uns anvertraut hat, verantwortungsvoll umgehen. Weil er uns liebt und nicht will, dass wir mit unserem Handeln uns selbst und womöglich auch andere verletzen.

Der Apostel Paulus würde es im ersten Jahrhundert nach Christus so formulieren:

„Dir ist alles erlaubt. Aber nicht alles ist gut. Es ist dir zwar alles erlaubt, doch du solltest dich von nichts beherrschen lassen.“ (Paraphrase – 1. Korinther 6:12)

Also lasst uns doch noch einmal neu und ehrlich darauf schauen, was an Masturbation möglicherweise hilfreich ist, vielleicht sogar ganz natürlich, und ab wann und wie sie uns ungesund beherrschen könnte.

Körperliche Selbsterfahrung ist zuerst einmal ein ganz natürlicher Teil der körperlichen Entwicklung und der Beziehung zu uns selbst. Wenn man sich selbst berührt, entwickelt man ein Bewusstsein dafür, dass der Körper zu einem selbst gehört. Indem wir schamfrei unseren Körper ertasten und kennenlernen, stellen wir eine positive Beziehung zu uns selbst her. Diese Form der Selbsterfahrung wird unter normalen Bedingungen sexuelle Erregung auslösen, was wiederum zu einem Orgasmus führen kann. Das passiert im Übrigen auch spontan. Spontane Erektionen können plötzlich und ungefragt in der Nacht passieren. Auch bei Frauen.

Weil die sexuelle Erziehung oft zwiespältig und komplex ist, entwickeln wir zu unserem Körper und damit auch zu unserer Sexualität nicht selten eine schwierige Einstellung. Nur ein Beispiel: Wenn wir als Christen und in unseren (Frei)Kirchen immer wieder darüber sprechen, wogegen Gott ist, anstatt darüber, wofür er ist und wofür er uns geschaffen hat, dann bestrafen wir uns damit eigentlich selbst. Meines Erachtens überwiegt insbesondere beim Thema Sex in den meisten Kirchen die Scham und Schuldzuweisung auch heute noch um Längen. „Da fasst man sich nicht an.“ – „Solche Triebe sind ungesund und schlecht für dich.“ – „Wenn du das machst, wirst du keine erfüllte Sexualität in der Ehe erleben.“ – „Lust und Begehren sind sündhaft, immer und überall.“

Kennst du solche Aussagen? Ich schon. Vielleicht finden wir heute vorsichtigere Worte dafür, doch sie sind da. Die damit einhergehenden, schambehafteten Gedanken und Emotionen speichern wir dann in unserem Körpergedächtnis ab, was wiederum schädliche Auswirkungen auf unseren Paarsex in der Ehe haben kann.

Scham und Schuldzuweisung hilft keinem von uns. Scham treibt uns Menschen immer wieder in ungesunde Muster, von denen wir dann beherrscht werden. Das kann auch zu exzessiver Masturbation führen. Das übermäßige Begehren und Konsumieren von etwas (u. a. auch von Alkohol, Internet, Essen, Computerspielen, Filmen, Social Media oder auch Sport) ist immer ungesund. Masturbation wird erst dann zur Sucht, wenn wir unsere sexuellen Impulse nicht mehr kontrollieren können. Wenn wir es ständig wollen und brauchen und dabei aber eigentlich kein befriedigendes Erlebnis mehr haben. Nebenbei gesagt liegt unter fast jeder Form von zwanghaftem Verhalten ein ungestilltes Bedürfnis nach echter, emotionaler Nähe.

Ja, Masturbation kann zu einer Sucht werden. Sie muss es aber nicht. Insbesondere in meiner pubertierenden Entwicklungsphase, in der ich aufgrund von strenger, christlicher Lektüre und Lehre immer wieder verunsichert wurde, habe ich festgestellt, dass mein Umgang mit mir selbst und meinem Körper ungesünder wurde. Deshalb ist es ausgesprochen wichtig, dass wir uns selbst gut kennen und lernen, uns selbst gut reflektieren zu können. Denn wenn wir uns ehrlich damit auseinandersetzen, weshalb wir gerade etwas tun oder mit uns tun, wissen wir intuitiv eigentlich auch, was für uns gerade nicht hilfreich ist, was Macht über uns ausübt und uns dann auch toxisch beherrscht.

Ja, Masturbation kann mit dem Konsum von Pornografie einhergehen. Sie muss es aber nicht. Von einigen Männern habe ich gehört, dass sie es sich nicht vorstellen können, einen Orgasmus zu haben, wenn sie kein passendes, visuelles Bild dafür in ihrem Kopf haben. Ja, diese Herausforderung, insbesondere für Männer aber zunehmend auch für Frauen, müssen wir ernst nehmen und darüber müssen wir offen sprechen.

Ich habe in meinem Leben keinen einzigen Porno gesehen oder andere externe, erotische Impulse benötigt, um mich sexuell selbst zu erregen. Bei mir lief dabei kein Kopfkino ab. Mir ist klar, dass das heute eine viel größere Herausforderung für junge Menschen ist, weil sie oft viel zu früh und ungewollt mit pornografischem Material konfrontiert werden. Diese Kopplung existiert und ist ungesund. Doch sie ist eben nicht zwingend gegeben. Selbstbefriedigung gab es schon immer, weit bevor uns erotisches Bildmaterial dazu oder dabei stimulierte.

Eine solche ungesunde Verbindung gibt es übrigens auch in ganz vielen anderen Bereichen. Ich habe in meiner Studentenzeit regelmäßig harte Psychofilme geschaut. Die Bilder fingen an, mich zu verfolgen. Wenn ich in meiner WG allein im Dunkeln war, bekam ich irrationale Angst. Irgendwann konnte ich damit aufhören, doch es hat Jahre gedauert, bis diese Bilder in meinem Kopf blasser wurden und keine Furcht mehr bei mir auslösten. Gut dabei ist, dass solche Verbindungen über Zeit – oft mit Hilfe und einem notwendigen Willen – gelöst werden können.

Lust ist nicht gleich Lust.

Das Totschlagargument für die Seite der Christen, die Masturbation immer und überall als Sünde bezeichnet, ist Lust. Dazu müssen wir aber erstmal klären, ob Selbstbefriedigung überhaupt in diese Kategorie fällt, ob Lust in jedem Fall schädlich ist, und in welchem Kontext wir sexuelles, unmoralisches Begehren in der Bibel finden.

Lust wird regelmäßig mit sexueller Unmoral gleichgesetzt. Sexuelle Unmoral in der Bibel ist meines Erachtens entweder Hurerei oder Ehebruch. Also jedes Mal, wenn wir einen anderen Sexualpartner als unseren Ehepartner begehren und dann auch danach handeln, ist das sexuell unmoralisch. Wenn Jesus selbst in Matthäus 5:28 sagt: „Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen“, dann meint er damit den Mann oder die Frau, die einen anderen Mann oder eine andere Frau als den Ehepartner sexuell begehrt. In diesem Kontext – vor der Ehe, in der Ehe und nach der Ehe – finden wir unmoralisches Begehren. Und ganz ehrlich, an dieser Aussage von Jesus zeigt sich drastisch, dass wir alle seine Gnade benötigen. Wer hat nicht schon mal einen Mann oder eine Frau angesehen und dabei gedacht, was das für ein attraktives Ebenbild Gottes ist, und ist dabei gedanklich etwas zu weit gegangen!?

Dass Masturbation sexuell unmoralisch ist, steht so explizit nirgendwo in der Bibel. Als Christen füllen wir hier gerne nicht adressierte Lücken aus und erstellen dabei Regeln, die gar nicht existieren. Unsere eigentliche Motivation dahinter ist, einander davor bewahren zu wollen, etwas Falsches zu tun. In der Umsetzung schaden wir damit aber immer wieder uns selbst und auch anderen.

Abgesehen davon darf man und sollte man seinen Ehemann, seine Ehefrau begehren. Ich darf Lust auf meinen Mann haben. Aber so was von! Wenn ich zu wenig Lust auf meinen Mann habe, was aktuell durchaus vorkommen kann, meckert er! Lust innerhalb der Ehe ist nicht nur gut, sondern auch sehr förderlich.

Es ist wichtig zu betrachten, in welchem Kontext Masturbation passiert. Lernen wir unseren Körper kennen? Stimulieren wir uns ohne Kopfkino? Können wir unsere sexuellen Impulse kontrollieren? Begegnen wir uns dabei schamfrei? Dann kann Selbstbefriedigung meines Erachtens legitim sein. Brauchen wir dafür externe Erreger wie Pornografie? Führt es zu exzessivem Verhalten? Steuert es unsere Gedanken? Dann wird Masturbation schädlich für uns.

Kann Selbstbefriedigung ein zulässiger Bestandteil von gesunder Sexualität für Christen sein?

Ich glaube, ja. Sie kann und sie darf, denn ...

... gute Paarsexualität ist ein Entwicklungsprozess, der vor der Ehe beginnen kann und auch während einer Ehe anhalten sollte. Wenn zwei Menschen, Mann und Frau, zusammenkommen, die sexuell selbst empfinden können, dann wird gemeinsame Paarsexualität zu einem wundervollen Geschenk für die Ehe. Die weibliche Sexualität ist viel komplexer als die männliche, was ich in meinem letzten Blogbeitrag bereits kurz dargestellt hatte. Wie und woher soll ein Mann verstehen, wie das bei seiner Frau funktioniert, wenn sie es selbst nicht weiß? Gute Paarsexualität ist ein Entwicklungsprozess, der vor der Ehe beginnen kann und über die Dauer der Ehe anhalten sollte.

Ich höre immer wieder Geschichten von jungen Frauen, die aufgrund ihrer strengen christlichen Erziehung kaum einen Zugang zu ihrem Körper haben. Ganz banal gesagt, sie wissen nicht, wie ein Orgasmus bei ihnen zustande kommt. Sie haben ihren Körper nie auf ganz natürliche Weise, ohne Zeitdruck und ohne Scham kennengelernt. Die Konsequenz ist häufig, dass sie dann auch im Ehebett keine große Regung verspüren und der Mann den Zugang zu ihrer Sexualität nicht findet. Das kann einer Ehe echten Schaden zufügen.

Ich kann meinem Mann heute sehr genau sagen, was er tun darf, damit wir beide Freude am gemeinsamen Sex haben. Manchmal bekomme ich das Gefühl, dass er meinen Körper mittlerweile besser kennt als ich. Zumindest von einer anderen Perspektive. Ihm liegt absolut gar nichts daran, dass nur er kommt und Spaß hat. Heute können wir gemeinsam genießen. Doch bis wir dorthin gekommen sind, musste ich ihm immer wieder einiges erklären. Andersherum genauso.

Puh, ich weiß, das war heute viel! Übrigens, Masturbation innerhalb der Ehe ist wiederum ein eigenes, facettenreiches Thema, welches insbesondere starke Kommunikation zwischen den Ehepartnern bedarf. Das besprechen wir dann vielleicht ein anderes Mal. Also, das war heute noch lange nicht alles, was man dazu schreiben könnte. Manches davon war dir vielleicht neu. Anderes hat dich vielleicht provoziert oder irritiert. Möglicherweise ist aber auch Scham von dir abgefallen.

Ich glaube, wir Christen dürfen – nein, müssen – noch ehrlicher und offener über Sex sprechen, auch und insbesondere in unseren Kirchen. Wir müssen lernen, unser Leben – in unserem individuellen Kontext, mit unseren Prägungen und unseren ganz individuellen Herausforderungen – verantwortungsvoll, mündig und frei zu leben. Nicht alles, was für mich gilt, gilt auch für dich. Und dabei können wir erkennen, was uns gefangen halten, uns ungesund steuern und dann auch beherrschen kann. Wenn wir dies erkennen, danach urteilen und handeln, dann liegt darin Gottes gesunde Freiheit für dich und mich.

Ich möchte uns alle ermutigen, darüber noch mal nachzudenken. Sprich mit Menschen, denen du vertraust. Sei ehrlich mit dir selbst und suche dir Hilfe, wenn du sie gerade akut bei diesem Thema benötigst! Und bete! Frage Gott ganz ehrlich, was er darüber denkt. Halte dir die Antwort offen. Und dann folge deiner Überzeugung.

Lotte
Telzer

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